Generationen von Schülern haben sich die Frage gestellt, wozu man lineare Gleichungssysteme
oder den Gaußschen Algorithmus im Leben braucht. Ungezählt jene, die an Mathe verzweifelt sind.
Und nicht allzu lange, nachdem die Schulzeit erfolgreich abgeschlossen wurde, verschwand das
Erlernte aus dem Kopf. Auch die Inhalte unserer Unteroffiziers- bzw. Offiziersausbildung geraten in
Vergessenheit. Oder könnten Sie aus dem Stehgreif das Führen von Kräften und Mitteln in
Landoperationen nach dem Prinzip der Operation verbundener Kräfte prozessual erklären?
Zwar versteht sich die erfolgreiche Truppenführung als kreativer, schöpferischer Prozess, und
gewährt insofern Spielräume. Das allein reicht indes nicht aus. Zum Gelingen bedarf es auch
einiger fester Grundsätze und einer systematischen Vorgehensweise gemäß dem deutschen
„Führungsprozess der Landstreitkräfte“. Der Arbeitskreis Taktiklehrer im Reservistenverband hat
sich zum Ziel gesetzt, dieses Wissen weiterzugeben. In didaktisch sinnvoll aufeinander
aufbauenden Modulen werden Grundlagen geschaffen und vertieft. Zunächst theoretisch in Wort
und Bild, dann an der Landkarte, schließlich im Gelände. Den Höhepunkt der Ausbildung bildet ein
einwöchiger Aufenthalt in Hammelburg, um im Simulationssystem für Rahmenübungen (SIRA) in
einer computergestützten Gefechtssimulation Handlungssicherheit bei Führungsprozessen von
Zug- bis auf Bataillonsebene zu trainieren.
Beim Taktik Grundlagenseminar Süd erfuhren 35 Reservistinnen und Reservisten und Studierende
der UniBw eine Wiederauffrischung des Führungsprozesses der Landstreitkräfte an der SanAkBw
(01.-03.03.2024). Die Teilnehmenden spiegelten das bunte Bild wider, das die Reservearbeit so
einzigartig macht: Hochmotivierte Frauen und Männer, vom Studenten bis zum Rentner, vom
Fahnenjunker SanOA über Stabsfeldwebel bis zum Oberstarzt. Geeint im Bestreben, von der
langjährigen Erfahrung der hervorragenden Lektoren OTL a.D. Jürgen Baumer und OTL a.D.
Manfred Bettendorf zu profitieren. Zur Einleitung wurden formale Fragestellungen, taktische
Symbole und das Führen von Lagekarten wiederholt. Dann folgten die Grundsätze des
Führungsverhaltens, die Auftragstaktik und das Rollenverständnis des militärischen Führers. Die
beiden Vortragenden beantworten zahllose Fragen aus dem Plenum, lockerten das Seminar durch
praktische Beispiele und Filme verschiedener Informationslehrübungen (ILÜ) auf. Das Gefecht der
verbundenen Waffen – Pz, PzGren, Art, Pi, AufKl, OpInfo, Lw – wurde visuell erlebbar, wie auch der
Aufbau und der Betrieb eines Gefechtsstands. In den Kaffeepausen wurde weiterdiskutiert,
hinterfragt, verstanden. Und sich vernetzt. Zu einer bemerkenswerten Break out-Session war OTL
d.R. Dr. Gimmler angereist, um zum aktuellen Stand des Einsatzes von Drohnen auf dem
modernen Gefechtsfeld zu referieren. Der langjährige Pächter des Heimbetriebs „San-Si-Bar“, Paul
Kaufmann, bewirtete die Lehrgangs-Teilnehmenden am Samstagabend mit feinstem
Rindsgulasch, Rotkraut und selbstgemachten Klößen. In Windeseile verstrich die Zeit!
Nachdem die theoretischen Grundsätze der ÜbTr “BLAU“ und „ROT“ vermittelt waren, folgte am
letzten Seminartag die angeleitete Anwendung des Erlernten. Am Beispiel der Lage WANTEWITZ
arbeiteten sich die Teilnehmenden gemeinsam durch den Führungsprozess mit seinen immer
wiederkehrenden Schritten Lagefeststellung, Entscheidungsfindung (mit AdA, BdL und dem
folgerichtigen Entschluss), Planung, Befehlsgebung und der sich daran anschließenden
Erfolgskontrolle. Welche Freude bereitet ein Seminar, wenn man bei der Auswertung des Auftrags
die eigene Wesentliche Leistung richtig einzuschätzen lernt!
Der Arbeitskreis Taktiklehrer im Reservistenverband bietet auf seiner Homepage einen Überblick
und Anmeldemöglichkeiten für alle angebotenen Seminare (http://taktik-logistiklehrer.de/).
Verfasser: Oberstleutnant d.R. (vorl.) Christian Koenig