„Wislanische Kräfte in Divisionsstärke rücken von Norden aus auf den Raum nördlich Meißen vor!“

Das Szenario ist bedrohlich, das im Aufbauseminar „Planung des Einsatzes eines Verbandes in der Verteidigung“ des Arbeitskreises Taktik- und Logistiklehrer im Reservistenverband an der Sanitätsakademie München am letzten Augustwochenende ausgebildet wurde. Nun geht es darum, die Verteidigung gegen feindliche Kräfte in Divisionsstärke vorzubereiten und zu organisieren. Der übergeordnete Brigadestab, PzGrenBrig 61, hat die Befehlsausgabe an die unterstellten Bataillone abgeschlossen und die Kommandeure sind auf dem Rückweg zu ihren Gefechtsständen. Die Seminarteilnehmer in der Rolle des Kommandeurs und seines Bataillonsstabes müssen nun mit Hilfe des Führungsprozesses einen Operationsplan für das verstärkte PzGrenBtl 612 entwickeln.

Im Rahmen der Ausbildung hatte das Seminar hohen Besuch.  Der Stellvertreter des Präsidenten des Reservistenverbandes, MdB Thomas Erndl, wollte sich ein Bild von der Ausbildung machen, sich über den Teilnehmerkreis der Taktikseminare informieren und er stellte sich den Fragen der Teilnehmer. MdB Erndl, der auch stellvertretener Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages ist, war noch tags zuvor in Kiew und hatte dort unter anderem mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskij Gespräche geführt. Dementsprechend neugierig waren die Teilnehmer auf die Eindrücke, die er aus der Ukraine mitbrachte. Er hatte auch ein offenes Ohr für unsere Probleme, Sorgen und Ideen, die er gerne für seine parlamentarische Arbeit als auch ins Präsidium des Reservistenverbandes mitnahm.

Wir, das ist eine sehr bunte Gruppe an Reservisten verschiedenster Dienstgrade, Truppengattungen und Teilstreitkräfte aus dem ganzen Bundesgebiet, beorderte oder nicht beorderte Reservisten, im zivilen Leben Führungskräfte, Lehrer, Unternehmensberater, Professoren, Ingenieure, Sanitäter und Ärzte. Diese inhomogene Gruppe galt es zunächst zusammenzuführen und auf einen Wissensstand zu bringen.

Die Seminarleiter, beide erfahrene und langjährige Taktiklehrer der Bundeswehr, Oberstleutnant a.D. Jürgen Baumer und Oberstleutnant a.D. Manfred Bettendorf, mit viel Erfahrung in internationalen Stäben, und geprägt durch viele Auslandseinsätze brachten uns zunächst mit einem Grundsatzunterricht auf einen einheitlichen Wissensstand. Danach führten sie uns schrittweise durch den Führungsprozess: „Was ist Ihre wesentliche Leistung? Was wird von Ihnen erwartet?“ Diese Frage steht im Mittelpunkt der Analyse der Absicht der übergeordneten Führung, damit werden wir immer wieder konfrontiert.

Im Wechsel zwischen Gruppenarbeit und Vortrag der Ausbilder wurde die Auswertung des Auftrages und die Geländebeurteilung erarbeitet. Die Beurteilung des Geländes nach dem Prinzip Ansprechen-Beurteilen -Folgern, zeigt auf welche Vorteile / Nachteile es für den Feind und für die eigene Truppe bietet und gibt damit die ersten Hinweise über Stellungsmöglichkeiten, Einsatz von Pz und PzGren und Möglichkeiten der Unterstützung durch KpfUstg. Anhand der Zeitlinie mussten wir überlegen, wie man Zeit für die Vorbereitung der Stellung gewinnen kann durch rechtzeitige Information des unterstellten Bereiches durch Vorbefehle.  Im nächsten Schritt war dann zu klären, wer kommt da eigentlich auf uns zu? Wir diskutieren die Einsatzgrundsätze der Kräfte Rot, die ebenso wie wir eine Art Gefecht der Verbundenen Waffen besitzen, diskutieren ihre Schwächen. In Gruppenarbeit ermittelten wir Kampfkraft und Absicht der einzelnen Feindkräftegruppierungen um dann aus Feindsicht zu überlegen, welches die beste und die schlechteste Option für den Angriff des Feindes in unserem Verantwortungsbereich ist.  Die für unser Bataillon schlechteste Handlungsmöglichkeit der roten Kräfte wurde in Entschlussform die Grundlage für die weitere Bearbeitung genommen. Auch hier spielte das Gelände einen wesentlichen Punkt. Nutzen Sie das Gelände aus! Das Gelände ist der Freund des Verteidigers.

Besonders anspruchsvoll ist dabei, eine Vorstellung des Geländes zu entwickeln, dieses in Einklang mit den Kenntnissen der Einsatzgrundsätze der Kräfte Blau und Rot und dieses mit dem Führungsprozess unter einen Hut zu bringen.

In der Realität muss dieser Prozess sehr schnell ablaufen, die Ausbilder geben uns sechs Stunden vor, Zeit, die uns natürlich nicht ausreicht. Am Sonntag Vormittag erarbeiten und bewerten wir unsere Möglichkeiten des Handelns, formulieren diese in Entschlussform, erstellen den Kampfkraftvergleich und Wägen Vor- und Nachteile der Handlungsmöglichkeiten ab.  Zum Schluss erreichten wir unser Ziel; die vorteilhafteste Handlungsmöglichkeit wurde zum Entschluss und somit zur Ziffer 3a des BtlBefehls. Danach erstellten wir noch den OpPlan und die TrEinteilung.  Die Ausbildung der Taktiklehrer ist Teil eines über mehrere Seminare laufenden Ausbildungsprogramms, an dessen Ende eine umfassende, sieben Tage lange Simulationsübung mit dem SimSys SIRA steht.  Diese soll erneut im Oktober 2024 durchgeführt werden. Voraussetzung zur Teilnahme ist, am Grundlagenseminar, und an einem oder an beiden Aufbauseminaren sowie an der Gefechtsstandausbildung teilgenommen zu haben.  Alle Seminare und deren Inhalte sind auf der Internetseite des Arbeitskreis TaLoLe eingestellt und können unter der Internetadresse

 www.taktik-logistiklehrer.de

eingesehen werden.

Frau Ines Aschbauer, die Organisationsleiterin der Geschäftsstelle MURNAU, hatte das dreitägige Seminar in Vorbereitung und Organisation “voll im Griff“, so dass sich alle wohl fühlten.

Autor: Markus Heller, M.A., OSGdR

Stellvertretender Präsident des Verbandes der Reservisten der Bundeswehr e.V.  (VdRBw), Thomas Erndl, MdB, beobachtet Reservisten bei der Führung des „Panzergrenadierbatallion 612“ in der Verteidigung