Das Panzergrenadierbataillon 514 im Gefecht

Taktik Aufbauseminar III vom 17.-19.10.2025 in Hannover.

Innerhalb von drei Tagen vermittelten die beiden Taktiklehrer OTL a.D. Manfred Bettendorf und Jürgen Baumer im dritten Teil der Taktik Aufbauseminare rund 20 Teilnehmern das Handwerk eines Bataillonsstabes im Gefecht.

Angefangen mit der Führungsorganisation und den Aufgaben eines militärischen Führers und seines Stabes. Der Unterricht beinhaltete die Gliederung der Führungsgrundgebiete oder Stabsabteilungen, den verschiedenen Gefechtsständen, der Gefechtsstandorganisation der einzelnen Gefechtsstände. Abgerundet wurde der Unterricht mit der Vorführung der beiden Gefechtsstandwände, Arbeitsplätze der S3 Offz (eigene Lage) und S2 Offz (Feindlage/Lage gegnerische Kräfte). Eine Auffrischung über die Kartenkunde legte die Grundlage für das Lagediktat, das die Lehrgangsteilnehmer ins Schwitzen brachte. Aus dem Lagediktat entwickelte sich die Lagedarstellung und daraus die Lagefeststellung, die der S2 Offz, S3 Offz und der Kommandeur für eine Idee des Gefechtes bzw. für die Beurteilung der Lage im laufenden Gefecht benötigen.

In Gruppenarbeiten wurden LVU, Weg- Zeitberechnungen der Gegner und der eignen Kräfte und daraus die Möglichkeiten der gegnerischen und eigenen Kräfte ermittelt. In einem weiteren Schritt wurden die Möglichkeiten der gegnerischen Kräfte und die der eigenen Kräfte gegenübergestellt und unter Beurteilung und Abwägen der Möglichkeiten ein Entschluss gefasst. Der Abschluss des Lehrgangs war dann der Gefechtsbefehl oder kurz FNAKI, den wir formulieren mussten.

Neben der Paukerei kam aber die Kameradschaft auch nicht zu kurz, sei es in den Pausengesprächen, bei der Gruppenarbeit oder beim Abendessen in der Pizzeria. Rundum ein gelungener Lehrgang, der uns alle persönlich und fachlich weiterbrachte.

                                                                                                         Oberfeldapotheker d. R. Sascha Schneider

Sicherheitspolitische Aspekte aus Sicht eines Seminarteilnehmers

Über die für die Taktik elementaren Begriffe, Symbole und Prozesse hinaus, wurde allen Kameradinnen und Kameraden erneut klar vor Augen geführt, dass theoretische militärische Lagen auf Karten in der Ostukraine zu einer alltäglichen brutalen Realität geworden sind. Dieser Krieg wird nächstes Jahr schon vier Jahre andauern und ein langfristiger Frieden ist weit außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit. Zu den für die Ukraine zwei elementaren Fragestellungen, wie Deutschland zur Souveränität des Landes steht und wie die tapferen ukrainischen Soldatinnen und Soldaten in ihrem unermüdlich mutigen Kampf gegen die russische Invasion weiterhin unterstützt werden können, ist eine weitere hinzugekommen: Wie wird Deutschland kriegstüchtig? Um eine Antwort zu geben, wird die Bundesregierung intensiv gefordert, dies gilt nicht weniger für die Bevölkerung. Ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, der für viele Bürgerinnen und Bürger gefühlt fern ab scheint und meist nur in den Nachrichten dazu zwingt, sich dieser bitteren Realität kurzzeitig zu stellen, hat nun auch unmittelbare Konsequenzen für die Menschen in Deutschland. Eine zentrale Frage zum Erreichen der Kriegstüchtigkeit ist, wie der Personalkörper der Streitkräfte aufwachsen kann. Die Tatsachen: Aktuell sind rund 182.000 Mann in den Streitkräften aktiv (Quelle: https://www.bundeswehr.de/de/organisation/zahlen-daten-fakten/personalzahlen-bundeswehr).

Bis 2029 ist eine Personalstärke von wenigstens 198.000 vorgesehen, bis 2031 eine Stärke von 203.000 und bis 2035 sollen es 260.000 Soldatinnen und Soldaten sein. Das zusätzliche Ziel, die Reserve langfristig bis zu 200.000 zu erhöhen, führt zu einer anvisierten Gesamtstärke von 460.000 Soldatinnen und Soldaten. So die Planung des Bundesministers der Verteidigung und des Ministeriums. Die Realität: Verteidigungsminister Pistorius hatte im Juni erklärt, dass bis zu 60.000 zusätzliche aktive Soldaten benötigt werden, um die künftigen Bündnis- und Landesverteidigungsanforderungen der NATO zu erfüllen. Die Zahl der aktiven Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr ist im September wieder unter 182.000 gefallen. Für diesen Rückgang im September war zwar vor allem die geringere Zahl der Freiwilligen Wehrdienst Leistenden (FWDL) ausschlaggebend (Quelle: Personalstärke September 2025: Weiterer Rückgang auf unter 182.000, fast 1.000 weniger SaZ – Augen geradeaus!). Der Generalinspekteur der Bundeswehr Carsten Breuer und andere ranghohe europäische Militärs warnen vor einem möglichen russischen Angriff auf die Nato bis 2029. Auch der namhafte Gustav Gressel, Hauptlehroffizier und Forscher an der Landesverteidigungsakademie des Bundesheeres in Wien, einer der profiliertesten Kenner der russischen Militärstrategie, warnt vor einem russischen Angriff auf die Nato. Europa sei völlig unvorbereitet und Deutschland würde zum Kriegsschauplatz. Seine düstere Prognose: Putin wird zuschlagen, wenn Europa sich nicht beeilt.

So die Fakten. Es sollte also nun jeder und jedem klar geworden sein, dass die Personalgewinnung der Streitkräfte ein Prokrustesbett geworden ist, das einen Kraftakt par excellence darstellt. Auf diese Weise ist der Wehrdienst zurück in das Zentrum der Verteidigungspolitik gerückt worden. In der Regierung sowie in der Parteienlandschaft wird simplifiziert die kontroverse Debatte geführt, ob der freiwillige Wehrdienst oder sogar wieder eine Reaktivierung der Wehrpflicht probate Mittel sind, die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte für die Landes- und Bündnisverteidigung erneut herzustellen. Nach langem Ringen haben sich die Regierungsparteien auf die neue Ausgestaltung des neuen Wehrdienstes verständigen können. Weiterhin setzt die Koalition aber weiter auf Freiwilligkeit, zudem auf flächendeckende Musterungen und eine Zielmarke für den Aufwuchs der Streitkräfte. Erst im Fall einer zu niedrigen Freiwilligenzahl soll der Bundestag über eine sogenannte „Bedarfswehrpflicht“ entscheiden können. Das hierfür notwendige Gesetz soll Anfang Dezember verabschiedet werden und 2026 in Kraft treten. Damit sollen ab nächstem Jahr alle 18-Jährigen Männer einen zur Beantwortung verpflichtenden Fragebogen erhalten, der die Motivation und Eignung erfasst. Mit Inkrafttreten des Gesetzes beginnt die verpflichtende Musterung für ab dem 1. Januar 2008 geborenen Männer. Diese Maßnahme wird schrittweise dem Aufbau der Musterungskapazitäten auf den gesamten Jahrgang ausweitet werden.

Die Entscheidung, alle ab dem 1. Januar 2008 geborenen Männer zu mustern, um überhaupt zu wissen, wer für den militärischen Dienst geeignet ist, war logisch, zweckmäßig und unausweichlich. Die zweite zwingende Konsequenz steht jedoch noch aus. Dass die Wehrdienst- bzw. Wehrpflichtdebatte politisch, aber auch gesellschaftlich kontrovers geführt werden soll und wird, ist für die Gemeinheit konstruktiv und unerlässlich. Ob aber eine „Bedarfswehrpflicht“ unter der Prämisse einer realen Bedrohung und eines antizipierten Angriffs auf NATO-Territorium durch Russland spätestens 2029 sinnvoll ist, kann berechtigt bezweifelt werden.

Nach einer im Juni 2025 durchgeführten repräsentativen Umfrage waren rund 59 Prozent der Befragten der Meinung, dass Deutschland die im Jahr 2011 ausgesetzte Wehrpflicht wieder einführen sollte. 37 Prozent der Befragten sprachen sich hingegen gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht aus. In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen sprachen sich 61 Prozent gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht aus (Quelle: Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/706672/umfrage/umfrage-zu-einer-wiedereinfuehrung-der-wehrpflicht-in-deutschland/). Dieses Ergebnis zeigt, dass in der Mehrheit der Bevölkerung die neue sicherheitspolitische Realität erkannt und akzeptiert wurde.   

So ist die unverzügliche Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland mehr als nur ein militärisches Gebot – sie ist ein Garant als Investition in die Sicherheit unseres Landes, in die Resilienz unserer Gesellschaft und in den Zusammenhalt unserer Jugend. In einer Zeit fundamentaler geopolitischer Gefahr muss die Verteidigungsfähigkeit neu gedacht und umgesetzt werden:

1. Stärkung der Abschreckung

Die primäre Aufgabe der Wehrpflicht ist die Sicherstellung einer robusten und schnell mobilisierbaren Bündnis- und Landesverteidigung.

Die Kriegstüchtigkeit wird nur erreicht, wenn die Truppe nicht nur technisch, sondern auch personell in der Lage ist, ihre Aufgaben zu erfüllen. Eine attraktive, aber verpflichtende Dienstzeit schafft die nötige Breite und Tiefe an geschultem Personal.

Gleichzeitig muss die Resilienz der Gesellschaft durch den Auf- und Ausbau eines effektiven Zivilschutzes und einer Katastrophenhilfe ertüchtigt werden. In modernen Konflikten sind nicht nur militärische Ziele betroffen, sondern auch kritische Infrastrukturen (KRITIS), Kommunikationsnetze und die Zivilbevölkerung. Eine strategische allgemeine Dienstpflicht – die neben dem Wehrdienst auch eine Option im Zivil- oder Katastrophenschutz bietet – würde die gesamtgesellschaftliche Resilienz stärken. Ausgebildete Bürgerinnen und Bürger könnten im Fall von Cyberangriffen, Naturkatastrophen oder Pandemien sofort zur Unterstützung der Behörden herangezogen werden. Gleichlaufend würde das Verständnis für Sicherheit gestärkt werden. Der Dienst vermittelt grundlegendes Wissen über Notfallmaßnahmen, Erste Hilfe und das Verhalten in Krisensituationen. Das erhöht die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung als Ganzes.

2. Die Stärkung der Gemeinschaft

Die Wehrpflicht oder der allgemeine Dienst kann eine wichtige sozialisierende Funktion in unserer fragmentierten Gesellschaft übernehmen, eine Überwindung von Milieugrenzen ermöglichen und der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen dienen.

Junge Menschen aus allen sozialen Schichten, Bildungsniveaus und Regionen würden gezwungen, über einen begrenzten Zeitraum eng zusammenzuarbeiten. Dies fördert den gegenseitigen Respekt und das Verständnis für unterschiedliche Lebensrealitäten, was in einer immer stärker polarisierenden Gesellschaft von unschätzbarem Wert ist. Der Dienst lehrt Pünktlichkeit, Disziplin, Führungsverantwortung und Teamfähigkeit – oft als “Soft Skills“ bezeichnet, die für den späteren Berufsweg unerlässlich sind. Er trägt zur Persönlichkeitsentwicklung bei und vermittelt ein Gefühl der Pflicht.

3. Das Prinzip der Gerechtigkeit

Neben der Freiheit genießen wir in Deutschland Wohlstand. Auch dieser ist keine Selbstverständlichkeit und setzt eine Erwirtschaftung und Lastenverteilung voraus.

Die Pflicht zur Verteidigung und zur Sicherung des Staates sollte nicht nur einer kleinen Gruppe von Freiwilligen überlassen bleiben. Die Wehrpflicht ist der Ausdruck, dass die Verteidigung unserer Demokratie und unserer Werte eine gemeinsame Aufgabe ist, die von allen Bürgerinnen und Bürgern, die davon profitieren, getragen werden muss. Es stellt einen fairen Ausgleich dar: Der Staat gewährt Rechte, und im Gegenzug fordert dieser die Erfüllung von Pflichten.

Schlussfolgerung: Ein weiterer Schritt nach der Musterungsentscheidung

Die Wiedereinführung einer intelligent konzipierten und flexiblen Wehrpflicht ist keine Rückkehr zur Vergangenheit, sondern eine zukunftsorientierte Antwort auf die heutigen Herausforderungen.

Sie sorgt für:

  1. Militärische Stärke und glaubhafte Abschreckung
  2. Zivile Resilienz im Krisenfall
  3. Sozialen Zusammenhalt und die Vermittlung wichtiger Werte

Deutschland muss sich seiner Verantwortung in Europa und der Welt uneingeschränkt stellen. Die Wehrpflicht ist dafür ein unverzichtbarer Baustein. Die Zeit ist gekommen nicht nur über die Zeitenwende zu reden, sondern sie durch konkrete Taten zu manifestieren. Das Prinzip der Zeitenwende darf nicht nur eine Idee sein. Sie muss durch unverzügliches Handeln mit ausreichend finanziellen Mitteln, moderner Ausrüstung und einer klaren Strategie unterfüttert werden.

Nur ein wehrhaftes Deutschland kann effektiv zur Sicherheit Europas und damit zu unserem eigenen Schutz beitragen. Wenn die demokratische Freiheit nicht jetzt verteidigt wird, wird sie in der Zukunft nicht mehr verteidigt werden müssen, weil es sie dann nicht mehr geben wird. 

Jetzt handeln – für unsere sichere Freiheit von morgen!

Hauptmann d. R. Marcel Borowski, M.A. und MPA